„Spitzensport ist eine Lebensschule”

Die österreichische Skifahrerin Nicole Schmidhofer hat schon viele Erfolge im alpinen Skisport gefeiert. Jetzt versucht sie nach Bänderrissen im linken Knie wieder an die Spitze zurückzukehren.

Das Interview mit Nicole Schmidhofer führte Anna Mikesch im Rahmen des Seminars "Journalismus".
Foto: ÖSV

MIKESCH: Sie kommen aus dem Lachtal, aus der Steiermark. Wie hat Ihre Familie und Ihr Umfeld Sie beeinflusst auf dem Weg zum Spitzensport?

Schmidhofer: Meine Familie eigentlich weniger. Wir haben eine Skihütte im Lachtal und ich bin mehr oder weniger auf der Piste aufgewachsen. Ich bin vor die Tür gegangen und einfach gerne Ski gefahren. Der Mann unserer Köchin hat mich im Alter von acht, neun Jahren gefragt, ob ich nicht Skirennen fahren will. Und ich habe gesagt: „Ja, warum nicht“. Dann bin ich nach Hause gegangen und sagte zu Papa, dass ich gerne Ski fahren will. Er hat gesagt: „Ja, warum nicht“. Aus diesem „Warum nicht“ ist dann Skifahren geworden, einfach nur zum Spaß.

MIKESCH: Wie viel Zeit bleibt neben Ihrem Beruf für Familie, Freunde und Beziehungen?

Schmidhofer: Wenn man es so intensiv betreibt, wie ich es teilweise mache, relativ wenig. Aber ich habe ein Umfeld, wo wir sehr viel Video telefonieren und darüber auch gemeinsam frühstücken, einen Kaffee trinken. Das hat sich auch durch die Verletzung so entwickelt, da war ich fast ein halbes Jahr nicht zuhause. Mittlerweile geht das sehr flexibel.

MIKESCH: Mitten in Ihrer Karriere wurden Sie einmal aus dem ÖSV-Kader entlassen. Im Sommer darauf haben Sie sich auf eigene Kosten auf die nächste Saison vorbereiten müssen. Wie war diese Erfahrung, haben Sie aus dieser Zeit etwas gelernt?

Schmidhofer: Die Erfahrung war auf der einen Seite sehr lehrreich, auf der anderen Seite natürlich eine große Enttäuschung, wenn du nicht mehr im Kader bist. Im ersten Moment hat man das Gefühl, man wird allein gelassen. Aber ich habe ein tolles Umfeld zuhause gehabt mit Familie und Freunden, deshalb war das eine etwas andere Vorbereitung. Ich habe eine eigene Konditions-Trainerin gehabt, mit der ich sehr akribisch gearbeitet habe. Der ganzen Sommer war auf mich abgestimmt, ohne dass dazwischen Kurse mit dem ÖSV gemeinsam waren, die manchmal nicht so reingepasst haben. Natürlich war es ein finanzieller Aufwand, aber am Ende des Tages hat es sich sicher gelohnt. Es war insofern etwas Positives dabei, als ich mich das erste Mal gefühlt habe, als würde man mir das Skifahren, das Rennfahren wegnehmen. Da ist mir schon noch einmal bewusst geworden, wie gern ich das mache und dass ich das unbedingt machen will. Dadurch habe ich ein bisschen mehr Ehrgeiz gehabt und noch mehr Fokus auf das Skifahren gelegt.

MIKESCH: Wie so viele andere Ski Alpin-Fans habe auch ich Ihren Sturz vor zwei Jahren live im TV miterlebt. Als Zuseher fragt man sich, was sind die ersten Gedanken nach so einem Sturz?

Schmidhofer: Was glaubst du, was ich mir gedacht habe?

MIKESCH: Ich kann mir vorstellen, dass im ersten Moment nur der Schmerz präsent ist. Vielleicht denkt man auch schon an die Folgen?

Schmidhofer: Ich kann genau sagen, an was ich gedacht habe. Nachdem ich endlich liegen geblieben bin habe ich mir gedacht: „Jetzt wird’s nichts mit der WM in Cortina“. Dann habe ich durchgeschnauft und gedacht, warum ich mir das alles eigentlich antue. Und sofort habe ich wieder daran gedacht, dass Skifahren einfach urcool ist. Ich tu es einfach so gern und das Gefühl, eine Abfahrt zu fahren, ist einfach ein Wahnsinn. Dann habe ich probiert, meinen Fuß zu bewegen, und sofort gedacht, da muss mehr kaputt sein, wahrscheinlich auch das Kreuzband. Wenn es die WM heuer in Cortina nicht wird, dann fliege ich eben nächstes Jahr zu Olympia. Das waren die ersten Gedanken.

MIKESCH: Sie haben jetzt schon oft erwähnt, dass Sie immer sehr motiviert waren, Rennen zu fahren. Haben Sie trotzdem schon mal an ein mögliches Karriereende gedacht, gerade eben bei so schweren Verletzungen?

Schmidhofer: Nein. Absolut nicht. Keine Sekunde. Ich weiß nicht, warum. Es haben sich voriges Jahr viele Leute gefragt bei der Verletzung, wie kann die wieder Skifahren gehen, warum tut die das wieder? Erstens ist die Herausforderung riesig gewesen, das zu schaffen; das hat mich irrsinnig motiviert. Wie gesagt, das Gefühl, Abfahrt, Super-G und schwierige Pisten so fahren zu können, gibt es einfach sonst nirgends. Mir macht das so viel Spaß, das ist so ein einzigartiges Gefühl, das ich sonst noch nirgends gefunden habe. Deshalb hat es nie den Gedanken gegeben, aufzuhören.

MIKESCH: Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

Schmidhofer: Ich habe wahrscheinlich mehr Jahre mit Misserfolg verbracht als mit Erfolg. Aber was ist Misserfolg; es kann sein, dass Außenstehende es eher als Scheitern sehen als man selbst. Gott sei Dank vergisst man sehr schnell sehr viel, aber natürlich ist es sehr zermürbend, wenn du die Leistung nicht abrufen kannst, die du eigentlich draufhast. Ich versuche sehr viel zu reden, natürlich ist auch Mentaltraining dazu da, meine Stärken zu stärken. Damit kann man aus schlechten Situationen gut herauskommen. Aber wie gesagt, Misserfolg liegt im Auge des Betrachters, letztes Jahr bin ich 15. geworden, für mich war das wie ein Sieg.

MIKESCH: Viele Spitzensportler besitzen einen Talisman oder machen Rituale vor ihrem Match oder Rennen. Haben Sie das auch?

Schmidhofer: Da habe ich verschiedene Ansätze. Ich steige immer mit dem rechten Fuß als erstes in die Bindung, mir ist das aber lange nicht aufgefallen, bis mich jemand darüber gefragt hat. Ich habe lange ein Glücksunterleiberl gehabt, wobei, bevor ich Weltmeister geworden bin, war ich vorm Rennen auf der Toilette und hab es vergessen. Ich habe mir gedacht: „Ist egal, ich kann das trotzdem“. Also, ich bin nicht mehr so abergläubisch, wie ich einmal war, ein paar Kleinigkeiten gibt es schon. Wenn ich heute ein Rennen gewinne mit irgendwelchen Socken, dann ziehe ich die beim nächsten Rennen auch an. Ich habe auch immer einen Glücksbringer von meiner Mama dabei.

MIKESCH: Würden Sie jungen Leuten empfehlen, auch Spitzensport auszuüben?

Schmidhofer: Würde ich auf jeden Fall machen. Solang es dir Spaß macht und du dein Hobby zum Beruf machen kannst, ist es das Größte, das du machen kannst. Spitzensport hat ein Ablaufdatum, du wirst nicht dein Leben lang das Gleiche machen. Ich stell mir das total arg vor, wenn ich mir vorstelle, dass Leute 40 Jahre immer dasselbe arbeiten. Also ich würde es auf jeden Fall ausprobieren, solange es geht, und alles dem unterordnen. Denn das ist eine Zeit, die kommt nie wieder und man lernt sehr viel fürs Leben. Also, Spitzensport ist eine richtige Lebensschule.

MIKESCH: In den letzten Wochen sind ja viele Rennen abgesagt worden, weil es zu wenig Schnee gibt, da es zu warm ist. Hat Ihrer Meinung nach der Skisport trotz des Klimawandels Zukunft?

Schmidhofer: Der Riesentorlauf in Sölden wurde ja abgesagt, weil wir zu viel Schnee gehabt haben. Und die Abfahrt, die wir jetzt gehabt hätten, die hat es früher nie gegeben. Der Start für die Speedbewerbe war bis dato immer Anfang Dezember, das ist auch gut so. Ich glaub schon, dass der Skisport nach wie vor kein Problem mit dem Klima hat. Man muss eben zwei oder drei Wochen später anfangen mit den Weltcuprennen und dafür im März länger dranhängen. In den letzten Jahren waren im März und April immer gewaltige Bedingungen.

MIKESCH: Welche Ziele haben Sie sich für diese Saison gesetzt?

Schmidhofer: Gut Ski fahren. So Ski fahren wie früher, das Attackieren wieder reinzubringen. Jetzt wieder den Grundspeed erhöhen. Man wird von mir keine Platzierung hören, das kommt dann von selbst. Ich bin kein platzierungsorientierter Mensch, ich schau auf das, was ich selbst beeinflussen kann, und das ist mein Skifahren. Wenn ich das schaffe, dann werden auch gute Ergebnisse kommen.

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